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Neubau Wohnüberbauung Ligschwil | Hochdorf
Studienauftrag auf Einladung
2022 — 23
Landschaftsarchitektur: Christoph Wey Landschaftsarchitektur
Bauingenieur: Wälli AG Ingenieure
Holzbauingenieur: Pirmin Jung
Brandschutz: Primin Jung
Bauphysik: Pirmin Jung
Visualisierungen: Studio Blomen
PROLOG | An der Schnittstelle von Ligschwil und Urswil bieten die zu bearbeitenden Parzellen die Möglichkeit beide Ortsteile mit einem neuem Baustein zu ergänzen und dienen dabei als Scharnier der doch sehr unterschiedlichen Orte. Orte geprägt von ruralen, industriellen und neuzeitlichen Bauten.
Dreiseitig von lärmemittierenden Anlagen umgeben, verlangt der Perimeter nach neugeschaffenen Orten aus dem Innern mit eigenem Bezugssystem. Als erste Etappe gliedern sich die beiden südlichsten Häuser um den strassenabgewandten Freiraum. Das beinahe punktsymmetrische Volumen von Haus A kombiniert mit der seriellen Rhythmisierung von Haus B verinnerlichen sowohl barocke Aspekte der vernakulären hölzernen Wohnbauten und der pragmatischen Formensprache gewerblicher Strukturen.Die nachfolgenden Entwicklungsschritte aus den Häusern C und D spiegeln gewissermassen die erste städtebauliche Geste und schaffen damit weitere kleinteilige Aussenräume in Querrichtung zur Hauptstrasse und maximiert den Anteil strassenabgewandter Fassadenabschnitte. Als «Start-/und Endpunkte» profitieren die Häuser A und D von ihrer exponierten Lage und setzten einen klaren ortsbaulichen Akzent. Zusammen knüpfen die verschiedenen Gebäudetypologien an die vorgefundene heterogene Bebauungsstruktur des Ortes an und vermitteln zwischen den stark differierenden Massstäben vom Einfamilienhaus bis zur Gewerbehalle.
Im Zentrum des Perimeters erstreckt sich die Einstellhalle in Nordsüd-Richtung, welche ihre Zufahrt im Osten erhält. Damit werden die Bereiche des Verkehrs weiter zu Gunsten der ländlichen und ruhigen Qualitäten innerhalb der neuen Siedlung gebündelt. Die zentrale Abfahrt zur Tiefgarage erlaubt ein problemloses «Mitwachsen» der Einstellhalle gemäss des jeweiligen Bedarfes in Etappen.
Die arealinterne Erschliessung gliedert sich in ein heterogenes Wegnetz. Von der Hauptachse in nordsüd-Richtung weiten sich die Wegverbindungen zu gemeinschaftlichen Aussenräumen, hin zu den Haus-/Wohnungseingängen. Trotz dichter Bebauungsweise verbleibt das ansteigende Gelände zur Strasse hin spürbar, was im Übergang zu den waagrechten Veranden in Schwellen der unterschiedlichen Öffentlichkeitsgraden münden und den Blick über die Hauptstrasse in die Weite anheben lässt. Die übergeordnete Wegführung verknüpft die verschiedenen Aussenräume von den Besucherparkplätzen an der Ligschwilerstrasse bis hin zum grosszügigen Grünraum mit Weitsicht im Süden.In direktem Bezug zur Ligschwilerstrasse und besagten Besucherparkplätze erlaubt Haus D einen skalierbaren Anteil Gewerbeflächen im Erdgeschoss, oder gar 1. Obergeschoss. In ähnlicher Manier profitiert der Teilbereich E von der vorhandenen Präsenz des Verkehrs zur baulichen Entwicklung der LKW-Garage Lang. Die konzipierte Erweiterung aus vier Stellplätzen folgt in ihrer Richtung der Ligschwilerstrasse und vermittelt zusammen mit Haus D zwischen den Bebauungsstrukturen von Ligschwil und Urswil, sowie den gleichnamigen Strassen. Nebst der Erhaltung der gegenwärtigen Abstellflächen im Osten für LKWs bildet die neue LKW-Halle (E) mit dem bestehenden Komplex eine Rangierfläche gegen Süden. Darüber können vom Lärm abgewandt und mit grosszügigen Terrassen versehene Wohnungen ergänzt werden. Übergeordnet kann somit festgehalten werden, dass sich die dominierenden Wohnnutzungen in Haus D, allfälligen Gewerben in die oberen Geschosse weichen, jedoch auch problemlos Teile des Erdgeschosses belegen können.
GRUNDRISSTYPOLOGIE | Die symmetrische Erscheinung von Haus A setzt sich in seiner inneren Struktur fort und erlaubt eine hohe Flexibilität an verschiedenen Wohnszenarien. Unter Einhaltung der für den Holzbau geeigneten Spannweiten und Bündelung der Steigzonen sind ge-schossweise Typologien vom Zwei- bis zum Vierspänner möglich. Die daraus resultierende Anpassbarkeit führt zu einer erhöhten Resilienz bei sich verändernden Nachfrage. Selbst eine bei aktueller Bedarfsformulierung nicht notwendige Vierspänner-Typologie ermöglicht kleinere Wohneinheiten mit jeweils zweiseitgier Ausrichtung und polyvalenten Aussenräumen. Weiter erlauben es die mittig gelegenen Zimmer an den Nord- und Südfassaden eine flexible Skalierung der Wohnflächen als Schaltzimmer.Als Reaktion auf die gewünscht dichte Bauungsstruktur bedient sich Haus B der Maisonett-Typologien. Die grosszügigen Wohnbereiche mit zentraler Küche im Erdgeschoss können frei durch die Bewohnerschaft bespielt werden und können sich in die vorgelagerten Veranden und näheren Aussenbereiche erweitern. Darüberliegend erlauben die Individualzimmer einen hohen Grad an Privatheit und können aufgrund ihrer gleichwertigen Struktur flexibel bespielt werden. Aspekte der Mehrgeschossigkeit, eigener «Haustüre» und vielseitiger Ausblicke/Aussenräume führen zu einer Vielzahl an Qualitäten ähnlich eines Einfamilienhauses, ohne dabei den Flächenbedarf ebensolcher in Anspruch nehmen zu müssen. Trotz der im Innern vorgefundenen Grosszügigkeit verbleiben gemeinschaftliche Aspekte wie die der Veranden als Erschliessungsflächen und fördern den übergeordneten Zusammenhalt und Austausch der gesamten Bewohnerschaft.
In den darüberliegenden Wohnungseinheiten profitieren die grosszügigen 5.5 Zimmerwohnungen von neugeschaffenen Blickbezüge aufgrund ihrer erhöhten Lage. Diese treten aufgrund ihrer geteilten Erschliessung über laubenähnliche Bereiche in direkten Bezug, ohne dabei sensible Aspekte der Privatsphäre zu schmälern. Unter Erhalt der simplen Gebäu-destruktur sind auch hier vielfältig bespielbare Wohungen realisierbar. Gleiches gilt für Haus C, welches die sich weitende Parzelle zu eigen macht. Es folgt der Logik von Haus B und verlängert sich nach Westen um ein Raster. Die nun südseitig vorliegende vertikale Erschliessung tritt in starken Dialog mit seinem Gegenüber. Resultierend sind es Bereiche der Begegnung, des Austausches und des Rückzuges, welche durch die leicht differenzierten Volumen geschaffen werden.
EPILOG | Im Spannungsfeld von einer raumplanerisch geforderten Dichte, einem peripher liegenden Siedlungsrand und einer notwendig gewünschten Wohnqualität schlägt das Projekt «Grüner Heinrich» eine ermessene Nähe zum Nachbar mit einer entsprechend hohen innenräumlichen Wohnqualität vor. Die rechnerisch etwas tiefere Dichte ist direkt dem Vorschlag für eine betrieblich bestmögliche Weiterentwicklung der LKW-Garage – vorderhand mit einer verhältnismässigen grosszügigen Rangierfläche für die Lastenzüge – geschuldet.
Im Projektvorschlag ist die architektonische Gestalt in vielerlei Hinsicht das direkte Abbild einer in der Erstellung und Betrieb kosteneffizienten, sowie einer materialsuffizienten Haltung. Durch ein optimales Verhältnis zwischen der Geschoss- und Hauptnutzfläche werden die Baukörper kompakt gehalten und auf kostenintensive Verkehrsflächen verzichtet. Unter Berücksichtigung der geologischen Gegebenheiten kann mit der geschickten Lage vom Untergeschoss auf aufwendige Fundationen verzichtet und Aushub sowie Beton eingespart werden. Zugleich deckt es unter Berücksichtigung der Bauetappen das gewünschte Bedürfnis der Auftraggeber ab.
Die innere Trag- und Gebäudestruktur folgt der Logik des kompakten und einfachen Baukörpers und liegt schlussfolgernd präzise übereinander, respektive kann sich in Teilen der oberen Geschossen auflösen. Die dabei gewählte Tragstruktur in Holz lässt eine möglichst hohe strukturelle Freiheit. Spannweiten und Dimensionen sind in akribischer Manier auf die Eigenschaften des Holzes abgestimmt und ermöglicht somit einen materialsparenden Umgang mit der Ressource. Holz ist nicht nur ein nachhaltiger Baustoff, der dabei vor unserer Haustür nachwächst, sondern er vermittelt in seinem rohen Körper ein willkommenes Wohngefühl.
Entgegen dem konstruktiven Rohstoff Holz wird für die Fassade bewusst ein Kleid in Faserzement (Eternit) gewählt. Mit einer geschuppten und kleinteiligen Erscheinung vermittelt die Fassade nicht nur zwischen der beiden ortstypisch ruralen und der industriellen Architektur, sondern ist die Materialwahl vielmehr auch sehr robust, langlebig und unterhaltsarm über die Lebzeit. Zugleich werden die Fassade und Aussenräume durch ein allseitig umlaufendes Vordach geschützt. Die Ausprägung der Dachform verankert die Siedlung zusätzlich im Ort.
Der bewusste Verzicht auf kostspielige und unterhaltsintensive Beschichtungen bei allen gewählten Materialen ermöglicht eine überzeugende architektonische Collage, die der Siedlung einen eigenständigen Wiedererkennungswert in Ligschwil und seiner weiteren Umgebung gibt.